Gudrun Kofler im Gespräch mit dem DE
Es kann nur EIN TIROL geben
In der Ausgabe des Oktober DE baten wir die aufstrebende und erfolgreiche Jungpolitikerin Gudrun Kofler von der Bewegung Süd-Tiroler Freiheit zum Gespräch.
Frau Kofler, zu Beginn möchte ich mich im Namen des DE bei Ihnen bedanken, daß Sie sich für ein Gespräch zur Verfügung gestellt haben. Können Sie sich ein wenig unserer Leserschaft vorstellen?
Ich bin 26 Jahre alt, komme aus Kurtatsch im Süd-Tiroler Unterland und studiere Rechtswissenschaft und Germanistik an der Landesuniversität in Innsbruck. Ich bin seit 15 Jahren Mitglied der Schützenkompanie Kurtatsch, Mitglied der SÜD-TIROLER FREIHEIT und Gemeinderätin in Kurtatsch.
Trotz Ihrer Jugend sind Sie als Gemeinderätin der Süd-Tiroler Gemeinde Kurtatsch und Vize-Präsidentin der Jungen Europäischen Freien Allianz (EFAY) politisch tätig. Was ist für Sie das Besondere an der Politik?
Ich bin der Meinung, nur wenn man sich für Politik interessiert, nimmt man aktiv an den Geschehnissen im eigenen Land teil und kann sich dadurch eine gefestigte eigene Meinung bilden und sich aktiv an der politischen Gestaltung beteiligen. Das Spannende an der Politik ist, daß sich vieles oft in so kurzer Zeit verändert und man immer ein wachsames Auge haben muß, es aber auch oft unerwartete Erfolge gibt – wenn sie auch noch so klein sind -, die einen für die Arbeit und Mühe belohnen.
Ist es falsch zu behaupten, daß Ihnen als Nichte von Frau Dr. Eva Klotz, der großen Verfechterin der Selbstbestimmung der Tiroler südlich des Brenners, und Enkeltochter des Süd-Tiroler Freiheitskämpfers der 1960er-Jahre, des Waltner Schützenmajor Georg Klotz, so manches in die Wiege gelegt wurde…
Nein, das ist bestimmt richtig! Politik und gerade Volkstumspolitik gehört bei uns in der Familie zum Leben wie das tägliche Brot. Ich bin in einer politisch sehr aktiven Familie aufgewachsen und habe somit bereits als Kind und Jugendliche sehr viel mitbekommen. Auch Anfeindungen von Seiten Andersdenkender war ich so schon sehr früh ausgesetzt, was ich aber heute als großen Vorteil sehe, da dies den Charakter schon in sehr jungen Jahren festigt und man nur noch viel entschlossener wird, das große Ziel voranzutreiben.
In diesem Jahr gedenkt Tirol der Taten von Andreas Hofer vor 200 Jahren. Besteht Ihrer Meinung nach im Gedenkjahr die Möglichkeit, der momentanen Situation Süd-Tirols etwas Positives für die Zukunft abzugewinnen?
Ich denke, man sollte ganz besonders dieses Jahr nutzen, um auf die Situation in Süd-Tirol und das immer noch geteilte Land Tirol aufmerksam zu machen. Heuer sind wegen der 200-Jahr-Feierlichkeiten viele Augen auf Tirol gerichtet, und man sollte beim Festumzug den Medienrummel und die Anzahl der Besucher nutzen, um zu zeigen, daß wir mit der derzeitigen Situation ganz und gar nicht zufrieden sind. Außerdem habe ich das Gefühl, daß die Menschen in Süd-Tirol aufwachen und sich nicht mehr alles gefallen lassen. Dies ist auch eine Entwicklung, die man unbedingt nutzen sollte, um diese Menschen weiterhin für die Loslösung Süd-Tirols von Italien zu sensibilisieren.
Apropos Gedenkjahr: Wie stehen Sie zu den Ansichten, es handle sich bei der heiß diskutierten Dornenkrone um „einen alten Hut“, sie sei keinesfalls mehr passend, da es den Süd-Tirolern inzwischen ohnehin gut gehe…
Ich verstehe natürlich, daß die Menschen, die nicht in Süd-Tirol leben, von unserem Land einen anderen Eindruck haben als wir. Und natürlich geht es uns wirtschaftlich gut, aber zu welchem Preis? Solange wir unter fremden Fahnen leben, tagtäglich für unser Recht auf Gebrauch der deutschen Muttersprache kämpfen müssen, unsere Jugendlichen von Carabinieri-Einheiten verprügelt werden, nur faschistische Ortsnamen Gültigkeit haben und faschistische Relikte an fast allen Straßenecken stehen, ist die Dornenkrone bestimmt kein alter Hut! Im Gegenteil! Sie ist wichtiger denn je, sie soll symbolisieren, daß wir IMMER NOCH der gleichen Ansichten sind und immer noch zu einem Staat gehören, bei dem wir nicht bleiben wollen!
Als Marketenderin der Schützenkompanie Kurtatsch sind Sie ein lebendes Beispiel für Heimatliebe und Traditionsverbundenheit. Wie wichtig sind Ihnen die edlen Begriffe wie Werte und Tradition?
Diese beiden Begriffe sind sehr wichtig für mich, da sie ein starkes Verbindungsglied zur Vergangenheit und ganz besonders der Menschen einer Kultur- und Sprachgemeinschaft untereinander sind. Nur so konnten diese weitergegeben werden, und nur so können wir sie wiederum weitergeben. Sie verbinden, sie sind ein Zeichen der Einheit und machen ein Volk aus. Nur durch Wertvorstellungen und Traditionen können wir Süd-Tiroler heute von uns sagen, daß wir uns von den Italienern nicht unterkriegen haben lassen und noch heute Tiroler und somit ein Teil des deutsches Volkes sind!
Befinden wir uns in einer Gesellschaft ohne jene Orientierung, einer Gesellschaft des reinen Pragmatismus, wo man heute das denkt und morgen sich wie die Fahne im Wind dreht und im Grunde keine bindenden Maßstäbe mehr hat … oder wohin steuert unsere Gesellschaft?
Es gibt bestimmt viele Menschen in unserer Gesellschaft, die dies so betreiben, mit der einfachen Erklärung, daß es einfach leichter sei, sich nicht auf eine Meinung festzulegen und sich ständig „wandeln“ zu können. Man kommt nie in Erklärungsnot, verscherzt sich’s mit niemandem und kann überall mitmischen. Aber dies ist natürlich in Wahrheit ein „Davonlaufen“, ein „Sich nicht stellen wollen“, und man wird auch nie richtig ernst genommen werden. Da lobe ich mir doch jene, die mit ihren Aussagen zwar oft provozieren, sie aber ehrlich und ernst meinen. So bleibt man auch immer ehrlich vor sich selbst, und andere wissen, woran sie sind. Außerdem soll und kann es nicht nur eine Meinung zu einem Thema geben, das sollten sich jene mal überlegen, die zwar immer von Meinungsfreiheit reden, unsere Meinung aber nie gelten lassen und uns immer wieder gern beschimpfen und versuchen, uns schlecht zu machen.
Und wie sieht es mit dem Schlüsselwort Heimat aus? Psychologisch ist Heimat heute ein persönliches Empfinden, frei von politisch-juristischen Definitionen. Sie besteht aus individuellen Einstellungen zu Ort, Gesellschaft und Entwicklung des Einzelnen… Ihre persönliche Begriffsbestimmung?
Für mich ist es auch so. Es ist in erster Linie ein persönliches Empfinden, und doch gehört viel mehr dazu. Für mich ist Heimat dort, wo ich geboren bin, wo meine Familie, meine Freunde zuhause sind, wo ich mich wohlfühle. Sicher kann man sich auch andernorts heimisch fühlen und auch dort leben, arbeiten, Familie haben. Doch kann und soll man sich von seiner „Urheimat“ nie ganz lösen. Meine Heimat wird immer in Kurtatsch, in Tirol sein.
Macht es Ihnen Angst, wenn Sie sehen, daß einige Süd-Tiroler Jugendliche azurblaue Farbe bekennen, von ihrer Geschichte wenig wissen bzw. kein Interesse an der individuellen politischen Entwicklung an den Tag legen?
Ja, klar. Das ist bestimmt sehr bedenklich. Und hier wäre auch besonders die Politik gefordert, dem in der schulischen Bildung entgegenzuwirken und zwar dies- und jenseits des Brenners. Allerdings merke ich auch, daß sich immer mehr Jugendliche, besonders in Süd-Tirol, vermehrt zu ihrer Heimat bekennen, sich für sie einsetzen, Farbe bekennen und mitmischen möchten. Immer mehr junge Menschen stellen sich gegen eine Zukunft Süd-Tirols bei Italien und arbeiten daran, dies zu ändern.
Vor nunmehr 20 Jahren ging in der ehemaligen „DDR“ das Volk friedlich auf die Straße, um für die Wiedervereinigung zu demonstrieren. Die Losung „Wir sind das Volk“ ist in die Geschichtsbücher eingegangen. Warum gehen Ihre Landsleute im Süden Tirols nicht auf die Straße?
Es ist ein langsamer Prozeß in Süd-Tirol, doch das Interesse der Süd-Tiroler am Thema steigt. Und es gibt Menschen aus verschiedenen Alters- und Berufsgruppen, die nun vermehrt in Zeitungen, Internet usw. auf das Unrecht im Land aufmerksam machen. Ich glaube, die Leute in Süd-Tirol sind noch nicht bereit, für die Unabhängigkeit auf die Straße zu gehen, auch weil von der Politik in Süd-Tirol viel zu viel Macht ausgeht und sie es nach wie vor schafft, die Menschen mit falschen Versprechungen an sich zu binden und hinzuhalten. Und Sie wissen ja bereits, wie es in Süd-Tirol läuft, wenn man für seine Rechte bzw. gegen das faschistische Unrecht auf die Straße geht. Dann wird man vom Quästor mit 600 Polizisten umstellt, muß sich Nummern an die Tracht heften und wird wie ein Rudel Vieh durch die Straßen getrieben, wie beim Protestmarsch gegen die faschistischen Relikte in Bruneck in diesem Jahr geschehen.
Wo sehen Sie, realistisch betrachtet, Ihre Heimat Süd-Tirol in zehn Jahren? Wird das Land im Rahmen eines möglichen Europas der Regionen fernab jeglicher nationalstaatlicher Ideologien eine wichtige Rolle spielen, oder wohin wird es sich bewegen?
Ich glaube schon, daß Europa eine große Chance für die Minderheiten in Europa darstellen könnte, doch geht es sehr schleppend und langsam voran. Dies deshalb, weil die EU wiederum aus Nationalstaaten zusammengestellt ist und die dort auch das Sagen haben. Und wie wir wissen, bekennen sich die wenigsten Nationalstaaten zu ihren Minderheiten, geschweige denn, daß sie sich für deren Unabhängigkeit einsetzen. Auch wäre ein Europa der Regionen meiner Meinung nach schon rein verwaltungstechnisch eine sehr schwierige Angelegenheit und kaum zu bewältigen. Aber ich bin der Meinung, daß auch in einem heutigen Europa nichts gegen eine Grenzverschiebung spricht, wenn es das Volk will. Die Grundlage des Friedens ist nicht die, ein Volk mit Geld und Versprechungen ruhig zu halten, sondern die, ein Volk frei entscheiden zu lassen, wo und wie es leben möchte. Wenn es nach mir ginge, wäre Süd-Tirol in zehn Jahren auf jeden Fall von Italien losgelöst und im Idealfall mit den beiden Landesteilen Nord- und Ost-Tirol wieder vereint.
Der dritte NR-Präsident Martin Graf hat das Selbstbestimmungsrecht für die Süd-Tiroler eingefordert und damit das Gespräch wieder auf das Land südlich des Brenners gebracht. War das gut für Süd-Tirol?
Für Süd-Tirol ist es immer gut, wenn die Politik sich mit der Süd-Tirol-Frage beschäftigt, besonders wenn dies auch in Österreich passiert. Natürlich haben viele Leute, speziell Journalisten und Politiker, dies aufgrund der Person Martin Grafs schlechtzureden versucht. Doch diese sind auch genau jene Leute, die uns in Süd-Tirol als Zündler, Ewiggestrige und Aufwiegler bezeichnen. Es gibt schließlich nichts Leichteres, jemanden dadurch in der Gesellschaft zu diffamieren, indem man behauptet, daß er ein Nazi sei oder rechten Ideologien anhänge. Wir sollten uns daher um solche Ignoranten und Besserwisser nicht kümmern, die außerdem selbst oft zu feige sind, Stellung zu beziehen. Wir brauchen die Energie, um unsere Anliegen voranzutreiben, und da ist es sehr wichtig, immer wieder Rückendeckung zu erhalten, besonders auch von der Politik in Österreich.
Gibt es noch eine (Gesamt-) Tiroler Identität, oder hat jeder der drei Landesteile eine eigene?
Ich glaube schon, daß jeder der drei Landesteile ein wenig anders ist bzw. sich ein wenig anders entwickelt hat. Das ist aber durch die Teilung Tirols natürlich begründet; Nord- und Ost-Tirol fehlt ein verbindender Teil, und Süd-Tirol hat sich mit der Zugehörigkeit zu einem fremden Staat bestimmt auch ein wenig anders entwickelt. Trotzdem glaube ich, daß die Menschen in allen drei Landesteilen im Herzen dieselben sturen und freiheitsliebenden Tiroler geblieben sind und uns dies auch verbindet. Leider wissen viele Nord- und Ost-Tiroler zu wenig über die Geschichte ihrer Landsleute im Süden und haben daher oft eine schlechte Meinung dazu. Aber ich glaube, daß es für jeden, der sich mit der Geschichte befaßt, sie kennt und seine Heimat liebt, nur EIN TIROL mit Nord-, Ost- und Süd-Tirol geben kann.
DER ECKART Oktober 2009