Der schwierige Burschentag
Der heurige Burschentag in Eisenach, die Mitgliederversammlung der Deutschen Burschenschaft, zeigte die Spaltung und Zerrissenheit der verschiedenen burschenschaftlichen Flügel. Traditionell tagen die Delegierten dieses (mit etwa 10.000 Mitgliedern einer der größten Verbände von Studentenverbindungen) Verbandes im deutschsprachigen Raum in Eisenach. Unterbrochen wurde diese Tradition nur während des Kalten Krieges. Seit 1991 ist die Deutsche Burschenschaft wieder an einen ihrer symbolträchtigsten Orte zurückgekehrt; in diesem Jahr standen allerdings weniger Symbole im Vordergrund als Personal- und Richtungsstreitigkeiten.
Während sich die linke Presse immer aggressiver auf die Burschen stürzt – im letzten Jahr ging die angebliche Einführung eines „Arier-Paragraphen“ durch die Medien – findet der Zeitgeist auch in den eigenen Reihen immer mehr Anklang. So gab es offenbar mehrere Burschenschafter, die vertrauliche Protokolle und anderes Material an die Presse weitergaben. Heuer brach der Streit aus, weil der Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter, der Mitgliederzeitung der Deutschen Burschenschaft, in einem internen Leserbrief in der Bundeszeitung seiner eigenen Burschenschaft, Dietrich Boenhoffer kritisiert hatte.
Nachdem dieser Artikel dem “Spiegel” zugespielt worden war, griff das Blatt einige Aussagen aus dem Zusammenhang und startete eine Hetzkampagne gegen den Schriftleiter Norbert Weidner. Dies fand in einem Abwahlantrag am Burschentag seinen Niederschlag. Mit einer knappen 2/3-Mehrheit wurde der Abwahlantrag auf die Tagesordnung gesetzt, und nach einer hitzigen und emotional geführten Debatte wurde der Antrag auf Absetzung Weidners abgelehnt. Da Weidner als Vertreter des rechten Flügels der Deutschen Burschenschaft, im wesentlichen repräsentiert durch die Bünde der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“, gilt, legten daraufhin etliche Amtsträger des „liberalen“ Flügels ihre Ämter nieder.
Gleichzeitig wurde in der Generaldebatte hitzig über die Zukunft des Verbandes gestritten. Spaltung und Auflösung wurden ebenso diskutiert, wie von etlichen Burschenschaftern auch die Einigkeit des Verbandes beschworen wurde. Abgesehen von dem verheerenden Bild, das die Amtsträger mit ihrem Rücktritt nach einem demokratischen Votum hinterließen, schien die Personaldebatte um den Schriftleiter nur der Kulminationspunkt für einen lange schwelenden Konflikt zwischen den verschiedenen Lagern innerhalb der Deutschen Burschenschaft zu sein.
Noch am Burschentag fanden sich flügelübergreifende Gesprächsrunden zusammen, um zu versuchen, die Einheit des Verbandes auf konstruktivem Wege doch noch zu erreichen. Die Verhandlungen des Burschentages wurden allerdings frühzeitig abgebrochen, nachdem die Ämter neu besetzt und der Haushaltsplan beschlossen waren. Eine neue Vorsitzende Burschenschaft für das kommende Geschäftsjahr konnte zunächst nicht gefunden werden. Als nächstes wird nun ein außerordentlicher Burschentag in spätestens acht Monaten einberufen, bei dem über die Auflösung oder die Fortführung des Verbandes beraten werden soll.
Es ist fraglich, ob es den Vertretern der verschiedenen burschenschaftlichen Richtungen gelingen werde, eine Verkleinerung des Verbandes zu verhindern und wie die Zukunft der burschenschaftlichen Bewegung aussehen werde. Eines ist jedenfalls sicher: Die politische Linke ließ in Eisenach bereits die Sektkorken knallen. Willig zerstritten sich die Burschen und spielten damit ihrem politischen Gegner in die Hände. Die ewige deutsche Zwietracht… Jan Ackermeier