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150 Jahre Mensurwesen in Wien

Im Mai 1862 wurden die ersten „Schlägermensuren“ auf Wiener Boden ausgetragen

Heinrich Heine (1797 – 1856), der bedeutende deutsche Dichter und Schriftsteller dichtete über die studentische Mensur – dieses so archaisch anmutende männerbündische Initiationsritual – folgende Worte: „Wie standen sie wacker auf Mensur mit ihrem Löwenherzen! Sie fochten so gerade, so ehrlich gemeint die Quarten und die Terzen.“

Heine, selbst zunächst Burschenschafter (Alemannia Bonn) dann Corpsstudent (Guestphalia Göttingen) und in seiner Studentenzeit wegen einer Duellaffäre ein Semester von der Universität in Göttingen relegiert, verklärt mit diesen Zeilen – ganz Romatiker, der er ist – die Mensur, diesen studentischen Zweikampf, ins Schwärmerische.  Dennoch, selbst für den jungen Waffenstudenten des 21. Jahrhunderts hat die Mensur noch immer „zwei Gesichter“ – wie es der Soziologe und Corpsstudent Roland Girtler (akad. Corps Symposion Wien) in seinem lesenswerten Aufsatz „Corpsstudentische Symbole und Rituale – die Traditionen der Antike und der frühen Universitäten“ (erschienen in der Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des KSCV, Rolf-Joachim Baum/Hrsg.: „Wir wollen Männer, wir wollen Taten! Deutsche Corpsstudenten 1848 bis heute.“) so trefflich skizziert.  Girtler beschreibt: „Für den jungen Waffenstudenten hat die Mensur (…) einerseits den Reiz eines Abenteuers, bei dem er sich (…) seiner jugendlichen Kraft bewußt wird, und andererseits [ist die Mensur] eine Charakterprüfung“.

Die studentischen Paukereien des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts waren zunächst ohne Ausnahme Duelle. Das studentische Fechten baute dabei auf die Traditionslinien und das Vorrecht des Adels, Waffen tragen zu dürfen.  Ein Vorrecht, das den Studenten seit Kaiser Maximilian I. von Habsburg ausdrücklich als Zeichen ihrer gehobenen Gesellschaftsposition zustand.

Wer im 18./19. Jahrhundert aber fechten wollte, mußte freilich jemanden fordern oder sich fordern lassen. Allerdings gingen die Zweikämpfe der Studenten schon damals nicht generell auf Leben und Tod. Im Gegensatz zu den ernsthaften Ehrverletzungen, die zu Forderungen auf schwere Waffen (Säbel oder gar Pistole) führten, handelte es sich bei diesen Forderungen nur um sogenannte „Formalcontrahagen“,  mit dem Ziel, aus Freude am Fechten eine Partie zu bekommen. Bei dieser Art der Mensur galt vielmehr der im Studentenlied „’s gibt kein schöner Leben…“ besungene Grundsatz: „Hat ein Schmiß gesessen, ist der Tusch vergessen von dem kreuzfidelen Studio“. Viele Fecht-Comments sahen deshalb auch vor, daß die Partie bereits nach dem ersten „Blutigen“ beendet war oder beendet werden durfte. Diese jugendliche kecke Freude am „Spiel der Waffen“ verlangte alsbald nach einem ausgereifteren Regelwerk, das sich endgültig „um 1850 in Form der Bestimmungsmensur ritualisiert“ hatte, wie Girtler zu berichten weiß. In dieser Bestimmungsmensur findet man das bis heute bewährte Mittel, um den studentischen Zweikampf als Mensur auf einer Partie auszutragen.

Es ist dem steirischen Studentenhistoriker und Publizisten Prof. Harald Seewann (akad. Burschenschaft Marko-Germania zu Graz) zu verdanken, daß über diese erste Zeit des Mensurwesens an den Hochschulstädten der alten Donaumonarchie nun ein akribisch recherchiertes Quellenwerk zur Verfügung steht. Seewanns Quellensammlung, erschienen in der Schriftenreihe des Steirischen Studentenhistoriker-Vereins, dokumentiert ausführlich die ersten Schlägermensuren in Österreich: Innsbruck (1861), Wien (1862), Graz (1864), Leoben (in den frühen 1860er Jahren).

Für Wien ergibt sich daraus heuer ein 150-Jahre Jubiläum. Die erste Schläger-Bestimmungsmensur in Wien wurde zwischen dem akademischen Corps Herulia und der akademischen Verbindung Saxonia gefochten. Sogar die Namen der Paukanten sind überliefert: „Am 13. Mai 1862 schlugen die Burschen Bernhard Stall, Senior der Heruler, und Eduard Wlassack, Consenior derselben und nachmaliger Hofrat der Generalintendanz der Wiener Hoftheater, die ersten zwei Schlägermensuren in Wien gegen die Burschen Josef Viktorin, den späteren Wiener Magistratsrate und Ferdinand Komornik der Saxonia …“, wie es in der von Seewann zitierten Quelle heißt. Die Mitglieder der Herulia hatten damit als deutsche Corpsstudenten das Prinzip der Bestimmungsmensur nach Wien gebracht.

Herulia bestand nur mehr bis Ende 1862, die „Probe auf Waffentüchtigkeit“ der Wiener Saxonia war aber erfolgt. Das „schöne Prinzip“ der Bestimmungsmensur, wie es in einer anderen dokumentierten Quelle heißt, wird seitdem mit „opferfreudiger Hingebung“ auch in Österreich vertreten. Ernst Brandl

 

Buchempfehlung: Seewann Harald: Das frühe Mensurwesen in (alt-)Österreich (1860-1880) und das „konservative Prinzip“. Eine Quellensammlung. Erschienen in der Schriftenreihe des Steirischen Studentenhistoriker-Vereins, Folge 31, Graz 2011. Umfaßt 180 Seiten, 39 Abbildungen, umfangreicher Anmerkungsapparat. Euro 24.- Bestellung  per E-Post bei Prof. Harald Seewann; c.h.seewann@aon.at

 

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