„Jungösterreich – Roman eines Burschenschafters“
Von Jan Ackermeier
Kaum ein Roman aus dem waffenstudentischen Bereich schildert die Stimmung und die Ansichten der damaligen Studentenschaft in den Burschenschaften in Österreich-Ungarn so eindringlich wie „Jungösterreich – Roman eines Burschenschafters“ von Heinrich von Schullern aus dem Jahre 1910.
Heinrich von Schullern zu Schrattenhofen, geboren am 17. April 1865 in Innsbruck, trat 1886 in die Grazer akademische Burschenschaft Frankonia ein und studierte Medizin. Wegen mangelnden Studienerfolges mußte er jedoch nach einem Jahr auf Geheiß des Vaters nach Innsbruck zurückkehren, wo er sein Studium erfolgreich fortsetzte und auch den Einjährig-Freiwilligen-Militärdienst im Ambulanzkorps absolvierte. Erneut wechselte er die Universität und ging nach München, wohl auch, weil dort seine Pennälerliebe und spätere Frau Anna von Thurn lebte. Nach Innsbruck zurückgekehrt promovierte er 1890 zum Doktor der gesamten Heilkunde.
Der Roman umfaßt die Zeit von der Matura von Schullerns bis zu seiner Tätigkeit als Arzt in Salzburg und Wien. Er behandelt alle damals in Studentenkreisen relevanten geistigen Strömungen: Auf dem Innsbrucker Gymnasium hat Oskar von Wernhardt, wie der Autor sich selbst im Buch nennt, ein fast ausnahmslos „schwarz-gelb“ eingestelltes Lehrerkollegium. Er verkehrt aber bereits in dem deutschnational ausgerichteten Kreis der „Eichenbündler“ und lernt auch über die Burschenschaft Suevia die im Studententum entstandene neue deutschnationale Strömung kennen. In Graz wird er selbst Burschenschafter. Er erlebt etwa aktiv die Gründung des Deutschen Schulvereines mit und wird begeisterter Schönerianer. In München knüpft er erstmals Kontakte auch zu norddeutschen Burschenschaftern und erfährt deren häufiges Unverständnis gegenüber dem Volkstumskampf der Deutschösterreicher.
In breitem Facettenreichtum spannt sich das Buch vom Preußen-begeisterten Schönerianertum bis zum deutschbewußten Österreich-Patriotismus und läßt beide Geisteshaltungen – besonders im Rückblick – besser verstehen.
Der Roman verschlüsselt alle vorkommenden Namen damals wichtiger Persönlichkeiten und Bünde – neben Burschenschaften auch Corps, Landsmannschaften, bis hin zu jüdischen Korporationen. In jahrelangen Recherchen durch Mag. Manfred Lang und Ing. Horst Winkler (beide Grazer akad. B! Frankonia und Wiener akad. B! Teutonia) konnten diese fast zur Gänze entschlüsselt werden.
In seinem autobiographischen Roman beschreibt von Schullern auch für den heutigen Leser anschaulich die politischen Ansichten der deutschnationalen Studentenschaft und den Einfluß Georg Ritter von Schönerers auf die Burschenschaften und Vereine an den österreichischen Hochschulorten in der Zeit des späten 19. Jahrhunderts. Mensurszenen und die alltäglichen Probleme der jungen Burschenschafter werden ebenso geschildert wie sehr persönliche Details aus dem Leben von Schullerns.
Im Laufe des Romans wandelt sich die Hauptfigur, also von Schullern selbst, vom überzeugten Anhänger Schönerers, seiner Ablehnung des Habsburgerhauses und seiner Prussophilie hin zu einem Österreichpatrioten und Anhänger der Donaumonarchie. Zwar benutzt von Schullern in seinem Roman durchwegs andere Namen für alle handelnden Personen und Bünde, als der Roman aber im Jahre 1910 erscheint, sorgt er für einen Skandal bei den Grazer Franken. Wegen der in seinem Roman geschilderten Details und der Abkehr von den politischen Ansichten der damaligen Burschenschaft, wird von Schullern im selben Jahr aus der Burschenschaft Frankonia entfernt. Er verstirbt am 16. Dezember 1955 in seiner Heimatstadt Innsbruck.