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Im Gespräch: Norbert Rasch

Norbert Rasch, bereits das zweite Mal Abgeordneter zum Sejmik (Regionalparlament) der Woiwodschaft Oppeln und seit 2008 auch Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien. Seit dem vergangenen Jahr gehört er auch dem Vorstand des Verbandes der deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaften in Polen an.

Norbert Rasch

DE: Mit 38 Jahren haben Sie schon eine beachtliche politische Karriere hinter sich. Bleibt da noch Zeit für Familie und Freunde?

NR: Nein, die Zeit ist sehr gering. Hier fällt es mir immer wieder schwer zu beweisen, daß meine Frau und meine Kinder für mich auf dem ersten Platz stehen. Meine treuesten Freunde sehe ich sehr selten, meistens, wenn wir gemeinsame Fahrten unternehmen.

DE: Wie ist die derzeitige Lage der Schlesier in Polen?

NR: Seit fast 20 Jahren sind wir eine vom Staat anerkannte Gesellschaft. Wir brauchen uns für nichts mehr zu schämen und uns vor nichts zu fürchten. Die polnische Legislatur nimmt uns unter Schutz. Seit dem Jahr 2005 gibt es ein Gesetz für nationale und ethnische Minderheiten, das unsere Sprache und Kultur sich entfalten läßt. Wir sind präsent in vielerlei Gremien und in der politischen Struktur. In vielen Gemeinden, in denen Deutsche leben, gibt es deutsche Gemeinderäte, deutsche Bürgermeister. Weiters gibt es auch Landräte und sieben Plätze im Sejmik (quasi Landtag), sogar zwei stellvertretende Ministerpräsidenten (Marschälle).

DE: Gibt es heute noch geschlossene schlesische Siedlungsgebiete, in denen Deutsch als Umgangssprache verwendet und das deutsch-schlesische Brauchtum gepflegt wird?

NR: Die Sprache ist nur ein Identitätsmerkmal, man muß sie nicht sprechen, um sich der deutschen Volksgruppe angehörig zu fühlen. Natürlich, wenn man sie kennt, erleichtert sie den Zugang zur Kultur, und das ist wichtig. Deutsch als Umgangssprache existiert noch. Ich denke, ungefähr 10 % der Deutschen sprechen noch Deutsch, auch mit ihren Kindern. Feste und Bräuche werden so gefeiert, wie es teilweise noch vor dem Krieg war (Martinsfest, Weihnachtsmärkte, Ostersuchen, Osterreiten, usw.)

DE: Neben dem Erlernen der deutschen Sprache im Elternhaus ist auch der Schulunterricht wichtig. Wird in den Schulen ausreichend Deutsch unterrichtet, und gibt es genügend deutsche Schulen?

NR: Die Deutsche Minderheit bei uns verfügt nicht über eine deutsche Schule. Ich glaube, es ist das ungenutzte Potential. Leider waren wir als Führungskräfte mit anderen Sachen zu stark beschäftigt, so daß wir das Wesentliche vergessen haben. Es heißt aber nicht, daß wir keinen Nachwuchs hätten, im Gegenteil. Wir bekamen eine neue Chance, die wir jetzt nutzen müssen. Dem Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache wohnten im Jahr 2008 ungefähr 27.000 Schüler in Kindergärten, Grundschulen und Gymnasien bei, was ungefähr 25% der Gesamtschülerzahl entspricht. Der Unterricht wird in drei zusätzlichen Deutschstunden realisiert. Jedoch sollten wir uns nicht von den Zahlen beeindrucken lassen und eher über die Ergebnisse nachdenken. Es gibt wenige zweisprachige Klassen und wie gesagt keine Schule mit Deutsch als Unterrichtssprache (in eigener Trägerschaft).

Die polnische Gesetzgebung unterstützt die Erhaltung der Identität, Sprache und Geschichte der Minderheit, nur unter der falschen Voraussetzung, nämlich daß die Kinder die Sprache schon zu Hause lernen und in der Schule ihre Kenntnisse erweitern. Aber auf die Deutsche Minderheit in Schlesien trifft es nicht zu. Bei uns handelt es sich eher um die Wiederherstellung der Deutschen Sprache, die ja bis 1989 verboten war. Dieses Verbot und verschiedene Repressalien haben dazu geführt, daß die Sprache aus dem Gebrauch fast verschwunden ist (wie schon angedeutet bedienen sich etwa 10% noch der Sprache im täglichen Gebrauch). Daher sind drei Stunden wöchentlich nicht ausreichend.

Ich bin überzeugt, daß wir, um weiter zu existieren, zu wollen, genauso wie die Deutschen in Dänemark, Ungarn oder in Rumänien deutsche bzw. bilinguale Schulen in der Region besitzen müssen.

DE: Abgeordneter zum Sejmik zu sein, bedeutet, diese Funktion ehrenamtlich auszuüben. Wo lägen Ihrer Ansicht nach die Vor- und die Nachteile, wenn Sie hauptberuflich Abgeordneter wären?

NR: Beruf Politiker – das klingt sehr ernst, außerdem sind Politiker, wie in fast jedem Land eher unbeliebt, etwas der Realität fern, wenn man tagtäglich nur diesen Beruf ausübt. Andererseits hat man als hauptberuflicher Politiker mehr Zeit für Recherchen, zu Treffen mit den Wählern usw. Die jetzige Situation sieht so aus, daß man mannigfaltigste Sachen tut und sich mit verschiedenen Professionen im Leben auseinandersetzt, man ist dem Volke nah (in der Arbeit oder sonst wo), als Abgeordnetengruppe bilden wir eine Mischung aus Landwirten, Firmeninhabern, Lehrern, Juristen usw. Als hauptberufliche Politiker wären wir bestimmt alle Juristen und Politologen.

Das Gespräch führte Thomas Hüttner (DE Jänner)

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