Im Gespräch mit Ulli Mair
Für die Dezemberausgabe des ECKART baten wir die sympathische und erfolgreiche Abgeordnete zum Süd-Tiroler Landtag, Ulli Mair (Die Freiheitlichen) zum Gespräch.
DE: Frau Mair, zu Beginn möchte ich mich im Namen des ECKART bei Ihnen bedanken, daß Sie sich für ein Gespräch zur Verfügung gestellt haben. Wollen Sie sich ein wenig unserer Leserschaft vorstellen?
UM: Ich bin 36 Jahre jung und ledig. Seit 2003 bin ich Abgeordnete zum Süd-Tiroler Landtag, seit 2001 Generalsekretärin der Freiheitlichen. Neben meiner politischen Tätigkeit engagiere und interessiere ich mich sehr intensiv für Menschen mit psychischen Problemen und Menschen, die in Not geraten sind. Als Privatperson mag ich es eher ruhiger, ich verbringe sehr gerne Zeit mit meiner Familie und meinem Patenkind sowie meinen Freunden. Ich lese sehr gerne, Musik gehört zu meinem Alltag (am liebsten Rockmusik) und sportliche Aktivitäten (Skifahren, Schwimmen, Bergwandern) lassen mich den Alltagsstreß vergessen. Ich sehe mich selbst als Vermittlerin zwischen Jung und Alt, lege sehr großen Wert auf den Dialog und den gegenseitigen Respekt zwischen den Generationen. In meiner Partei bin ich als konsequent und ehrlich, genauso aber als etwas ungeduldig und nicht immer als ganz einfach bekannt (lacht). Ich bin patriotisch und sehr stolz auf meine deutschen Wurzeln. Gleichzeitig habe ich gerade deswegen keine Berührungsängste, einen Schritt auf die Italiener in Süd-Tirol zuzugehen, ihnen die Hand zu reichen und den Dialog zu suchen.
DE: Ihre Partei versteht sich als liberale Partei, die sich besonders für die Freiheit und den Schutz der Bürgerrechte einsetzt. Liegt Ihr Augenmerk eher auf der Opposiitionsarbeit als Kontrollinstanz oder auf dem Wunsch, eines Tages mitzuregieren?
UM: Selbstverständlich bestehen der Wunsch, der Wille und irgendwann ganz einfach auch die Notwendigkeit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Opposition kann ja kein Selbstzweck sein. Die Geschichte unserer Partei belegt, daß es von der Gründung bis heute die vordringlichste Aufgabe war, Filz, Vetternwirtschaft und Klüngelei im „System Süd-Tirol“ zu beseitigen. Dies ist zu einem guten Teil auch gelungen, was nicht bedeutet, daß es nicht noch Aufklärungsarbeit braucht. Es ist für mich als Politikerin beides wichtig: daß es eine gute Regierung gibt, aber auch daß die Opposition eine gute Kontrollfunktion ausübt. Demokratie lebt von diesem Wechselspiel. Klar ist aber auch, daß schlußendlich die Regierung mehr Gestaltungskraft hat als die Opposition. Wir entziehen uns dieser Herausforderung nicht, legen aber großen Wert darauf, daß die freiheitliche Handschrift klar ersichtlich bleibt.
DE: Mit dem Wort „Heimat“ können nicht nur die Heimstatt eines Menschen, sondern ganz allgemein auch wirklichkeitsnahe oder vorgestellte Objekte und Menschen bezeichnet werden, mit denen Menschen sich identifizieren und die sie positiv bewerten. Sehen Sie das Wort Heimat etwa als Gesamtheit der Lebensumstände, in denen ein Mensch aufwächst oder haben Sie eine ganz persönliche Definition parat?
UM: Spätestens seit Nietzsche hat Heimat eine besondere Bedeutung. Sein Spruch „Wehe dem, der keine Heimat hat“ wird häufig zitiert, wenn auch vielfältig interpretiert. Ich stimme ihm aber zu, daß jenen Menschen, die keine Heimat im Sinne von Zugehörigkeit, Schutz, Vertrautheit, Wohlbefinden haben, etwas fehlt. Heimat ist vielfältig, bedeutet für mich aber auch, in einem Umfeld, das gewachsen ist, verwurzelt zu sein. Jede Generation knüpft ja irgendwo an und gibt den Staffelstab an die kommende Generation weiter. Heimat verändert sich selbstverständlich, Wesenszüge bleiben aber erhalten. Heimat ist nicht tradierte Idylle, sondern eine Herausforderung zur Gestaltung und Weiterentwicklung. Heimat bedeutet aber vor allem Verantwortung jedes Einzelnen. Deshalb sage auch ich der Jugend: frage nicht, was Deine Heimat für Dich tun kann, sondern frage dich, was Du für Deine Heimat tun kannst.
DE: Knapp acht Prozent der Wohnbevölkerung Süd-Tirols sind ausländische Staatsbürger. Ingesamt waren zum Ende 2009 rund 40.000 Ausländer in die Melderegister der Gemeinden eingetragen. Haben Sie Angst, daß eines Tages Ihr Heimatland überfremdet wird oder kann eine gute Integrationspolitik eine Basis für eine kulturell-friedliche Vielfalt darstellen?
UM: Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber, in meinem persönlichen Vokabular kommt sie ganz einfach nicht vor – zumindest dann, wenn es um Zuwanderungspolitik geht. Gerade in der Ausländerfrage sind Festigkeit und Unerschrockenheit Voraussetzung für eine vernünftige Politik. Darunter verstehe ich klare Spielregeln, den Willen und die Bereitschaft zur Eingliederung in die Gesellschaft der Einheimischen. Integration ist nicht eine Dienstleistung an die Zuwanderer, sondern eine Bringschuld der Zuwanderer selbst. Tatsache ist, daß Süd-Tirol eine unkontrollierte Massenzuwanderung erlebte und weiterhin erlebt, die es aufzuhalten gilt. Gerade Süd-Tirol mit seiner Sprachgruppenproblematik hat nicht die Aufnahmefähigkeit anderer Länder. Gleichzeitig ist festzustellen, daß die Arbeitslosenrate bei Zuwanderern dramatisch ansteigt und daß wir klar eine Zuwanderung in die Sozialsysteme erleben – und nicht, wie von Gutmenschen gebetsmühlenartig behauptet, in den Arbeitsmarkt. Das Landesstatistikamt ASTAT sagt voraus, daß wir in 10 Jahren 80.000 Ausländer in Süd-Tirol haben werden. Das muß Anlaß zur Sorge geben, aber es wäre falsch, wie das Kaninchen vor der Schlange zu erstarren. Vielmehr ist jetzt Handeln gefordert. Wir haben unsere Vorschläge wiederholt vorgelegt, wobei die wichtigsten folgende sind: verpflichtende Sprachkurse für die Eltern, für die Kinder bereits vor dem Kindergarten- und Schuleintritt, sowie verbindliche Elternkurse, in welchen ihnen die Landesgeschichte, die Erziehungsmethoden unseres Kulturkreises, unsere Traditionen, die Wichtigkeit der Schulausbildung beigebracht werden. Die Wirtschaft, welche immer wieder ausländische Arbeitskräfte reklamiert, muß sich an den Integrationskosten beteiligen, Süd-Tirol benötigt vor allem Saisonarbeiter, daher brauchen wir eine besondere Regelung, wobei das Prinzip des Gastarbeiters wieder in den Vordergrund gestellt werden muß. Familienzusammenführung soll es nur mehr in jenen Fällen geben, wo die Betroffenen eine Wohnung und einen Arbeitsplatz nachweisen können. Süd-Tirol muß vom Staat mehr Zuständigkeiten in der Einwanderungsfrage einfordern.
DE: Frau Mair, bleiben wir kurz bei den Einwanderern. Würden Sie sagen, daß es in der Süd-Tiroler Gesellschaft aus Sicht von ausländischen Staatsbürgern, die erfolgreich sind und von der Kultur der Arbeit und des Aufstieges erfaßt werden, gerecht zugeht?
UM: Auf jeden Fall, und diese Menschen bestätigen uns Freiheitliche jeden Tag. Sie haben selbst das größte Interesse daran, nicht in einen Topf mit jenen, die sich nicht an Spielregeln halten und ab vom ersten Tag an einfach abkassieren wollen, geworfen zu werden. Wer in unser Land der Arbeit wegen gerufen wird, seine Steuern zahlt und die Bürgerpflichten erfüllt, ist auch willkommen. Wer nicht bereit ist, nach unseren Spielregeln zu leben und nur dem Sozialsystem auf der Tasche liegt oder sogar straffällig wird, hat bei uns ganz einfach nichts verloren. Das sehen integrierte Ausländer genauso.
DE: Politik bezeichnet jegliche Art der Einflußnahme und Gestaltung sowie der Durchsetzung von Forderung und Zielen, sei es in privaten oder öffentlichen Bereichen. Was bedeutet in Ihren Augen Politik, können Sie meine Definition ergänzen und aus welchem Grund sind Sie in die Politik gegangen?
UM: Ich bin in einem politischen Elternhaus aufgewachsen und war seit jeher an der Süd-Tiroler Politik interessiert. Allerdings habe ich mich niemals bei der SVP beheimatet gefühlt, sondern seit jeher bei den Freiheitlichen. Anfangs, Ende der Achtziger Jahre, war Jörg Haider für mich mein persönliches politisches Vorbild, das mich in seinen Bann gezogen und wachgerüttelt hat. In Süd-Tirol gab es zu diesem Zeitpunkt die Freiheitlichen noch nicht. 1992 gründeten dann einige beherzte junge Menschen die Süd-Tiroler Freiheitlichen, weil sich nach dem Paketabschluß die Notwendigkeit einer politischen Neuausrichtung ergab und eine solche bei der SVP nicht mehr erkennbar war und heute noch nicht ist. Ich lernte durch gute Freunde den Landesparteiobmann und Landtagsabgeordneten Pius Leitner kennen, durfte dann 1998 sechs Monate lang ein Praktikum bei der Partei machen, bekam die Möglichkeit, sehr selbständig zu arbeiten und bin sozusagen „hängengeblieben“. Politik bedeutet für mich Dienst an der öffentlichen Sache und Dienst am Bürger, niemals Selbstzweck oder Bevorzugung Einzelner. Wenn ich heute ehemalige Professoren oder Mitschüler treffe, sagen mir diese durchwegs, daß mein Weg in die Politik vorgegeben war. Und so empfinde ich es auch.
DE: Der Bundesparteiobmann und Klubobmann Ihrer Mutterpartei, Heinz-Christian Strache, verglich einmal den Kosovo mit Süd-Tirol und die Italiener mit Albanern. Nur der Freiheitskampf der Süd-Tiroler habe laut Strache verhindert, daß Italien Süd-Tirol endgültig an sich gerissen habe. Sind solche Vergleiche Ihrer Meinung nach in einem sich vereinenden Europa, einen möglichen EU-Beitritt Serbiens vor Augen, sinnvoll oder irreführend?
UM: Wie so viele Vergleiche hinkt auch dieser ein wenig. Der Freiheitskampf der Süd-Tiroler hat mit Sicherheit dazu beigetragen, daß die Süd-Tirol-Problematik vor die UNO kam und somit internationalisiert wurde. Gerade davon leitet sich die anhaltende Schutzmachtfunktion Österreichs für Süd-Tirol ab. Daran ändert auch der Standpunkt Italiens, daß Süd-Tirol eine rein inneritalienische Angelegenheit sei, nichts. Wir wissen, wie wichtig die Schutzmachtfunktion Österreichs für Süd-Tirol auch in Zukunft sein wird, weshalb eine entsprechende Verankerung in der Bundesverfassung notwendig ist. Mir bereitet die unkontrollierte Zuwanderung nach Süd-Tirol (sehr massiv auch aus dem Kosovo) weit mehr Sorgen, als die Italiener im Lande. Diese gilt es aber zu überzeugen, an einer gemeinsamen Zukunft mitzuarbeiten und nicht mehr länger einen eigenständigen Süd-Tiroler Weg zu blockieren – das ist und bleibt die Bringschuld der Italiener in Süd-Tirol.
DE: Die Tagung „Süd-Tirol und das Heimatland Österreich“ im Nord-Tiroler Gnadenwald hat viele interessierte Leute und interessante Denkanstöße über die Zukunft Ihres Heimatlandes gesehen. Wo sehen Sie Süd-Tirol im Jahr 2020 und wie realistisch sind Ihre Wünsche?
UM: Ich persönlich sehe am Horizont einen unabhängigen Freistaat Süd-Tirol, in dem sich alle drei Volksgruppen beheimatet fühlen. Ob wir dies bereits im Jahre 2020 erleben werden, wird sich zeigen. Ich persönlich werde meinen Beitrag dazu leisten, daß sich möglichst viele an diesem Prozeß beteiligen. Der Freistaat ist kein fertiges Produkt, sondern ein erklärtes Ziel, das erkämpft werden muß. Er ist ein Beitrag zu einem dauerhaften Frieden und daher auch sehr europäisch. Der Freistaat steht nicht im Widerspruch zur Tiroler Landeseinheit, sondern kann ein erster Schritt dahin sein. Es darf nicht vergessen werden, daß kein politisches Projekt in Süd-Tirol gegen eine Volksgruppe durchgesetzt werden kann. Dazu genügt es, in der Streitbeilegungserklärung nachzulesen.
DE: Ist ein „Europa der Regionen“ Ihrer Meinung nach schon rein verwaltungstechnisch eine sehr schwierige und kaum zu bewältigende Angelegenheit oder wird es das hehre Projekt „60 Jahre ohne Krieg“ mit dem Namen EU in absehbarer Zeit nicht mehr geben, da diese Staatengemeinschaft wiederum aus Nationalstaaten zusammengestellt ist und die dort auch das Sagen haben?
UM: Meine Vorstellung war nie ein Europa der Nationalstaaten. Die Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts müssen überwunden werden, um die Bürger vor Ort in ihren Regionen emotional zu erreichen. Daher wäre ein Europa der Regionen durchaus eine Option, denn Süd-Tiroler wollen eben Süd-Tiroler bzw. Tiroler bleiben. In einem Europa müssen sich künftig Korsen als Korsen, Basken als Basken, Flamen als Flamen, Bayern als Bayern, Friesen als Friesen usw. fühlen können und dürfen. Leider sprechen die europäischen Verträge eine andere Sprache, wodurch weder ein konkreter Minderheitenschutz gesichert ist, noch eine gefühlsmäßige Zustimmung für die gegenwärtige EU erreicht werden kann. Vielmehr riskiert die EU mittelfristig wieder zu zerbrechen, sei es aus wirtschaftlichen, sei es aus politischen Gründen – man denke an die Griechenland-Krise (Italien ist von einem solchen Szenario nicht weit entfernt!) oder an die Option einer EU-Mitgliedschaft der islamischen Türkei.
Das Gespräch führte Andreas Raffeiner.