“Haas’ is!” Eskimodichter Kobuk in Wien
Am 3. Juli 1951 fanden am Wiener Westbahnhof zahlreiche Reporter und Fotografen ein, um den weit über die Grenzen Grönlands hinaus bekannten Eskimodichter Kobuk, zu empfangen. Dem Zug entstieg eine in Pelzmantel und –mütze eingehüllte Gestalt. Auf die Frage, wie es ihm in Wien gefalle, gab er zur Antwort: “Haas’ is! (Heiß ist’s!)”. Der geneigte Leser wird bereits erkannt haben, um wen es sich bei der pelzigen Gestalt handelte: Helmut Qualtinger. Da die österreichische Presse nicht über die Hollandtournee seines Studios der Hochschulen berichten wollte, „lieh“ sich Qualtinger vom Präsidenten des PEN-Clubs, Franz Theodor Csokor, Briefpapier des Clubs und schrieb diverse österreichische Zeitungen an, in denen er diese über den bevorstehenden Besuch des Schriftstellers Kobuk aus Grönland in Kenntnis setzte. Da kamen sie alle aus der Deckung hervor, die allwissenden und gelehrten Journalisten und überboten einander in Berichten über den berühmten Kobuk, den eine enge Freundschaft mit Stefan Zweig und Jack London verbunden haben soll, sie lobten seine Werke „Brennende Arktis“, „Song of the Iceman“, den Schlittenhunderoman „Heia Musch Musch“ oder sein Drama „Die Republik der Pinguine“. Noch am 7. Juli, also nachdem (!) der Eskimodichter als Erfindung Qualtingers enttarnt worden war, berichtete die Wiener Arbeiterzeitung über die Ankunft Kobuks, über die Pläne der Verfilmung seiner Trilogie „Nordlicht über Iviktut“ und sein Projekt, die Wiener Eisrevue auf Grönlandtournee zu bringen… wahrer Qualitätsjournalismus also. Qualtinger hat es mit einem seiner berühmt-berüchtigten Scherze wie kein anderer geschafft, die Kulturjournalisten der österreichischen Medienlandschaft bloßzustellen. Dies mag einer der Gründe dafür gewesen sein, dass dieser begnadete Schauspieler und Kabarettist erst in späten Jahren Würdigung erfahren hat; ein anderer Grund hierfür war sicherlich die alte österreichische Unsitte, zu Lebzeiten niemanden zu würdigen, der am Leben ist, im Lande lebt und seinen eigenen Willen hat. Alois Pressler