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Gedanken zur allgemeinen Wehrpflicht

Von Dieter Hüttner

Die allgemeine Wehrpflicht besteht in Österreich seit dem 7. September 1955. Sie galt seit damals als Zeichen der wiedererlangten Souveränität unseres Landes nach sieben Jahren der Besatzung durch fremde Streitkräfte. Bis in die 70er Jahre wurde der Dienst an der Waffe auch kaum hinterfragt. Die Verteidigung des von der Mehrheit der Bürger für tauglich befundenen Gesellschaftssystems und seiner Staatsordnung war eine Selbstverständlichkeit. Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels nahm aber die Bedeutung des Vaterlandes immer mehr ab. Die persönliche Verwirklichung wurde wichtiger als die Heimat. Diesen in der westlichen Gesellschaft aufkeimenden Trend griff auch die Politik auf. So gelang es Bruno Kreisky, mit der Aussicht auf eine Wehrdienstzeitverkürzung einen deutlichen Stimmenzuwachs zu erzielen.

Die 70er Jahre liegen heute schon lange zurück. Geblieben ist die Wehrpflichtdebatte. Regelmäßig vor Wahlen taucht das Thema auf. Die Vermutung liegt nahe, daß einzelne Parteien versuchen, damit politisches Kleingeld zu lukrieren.

Schwindende Wehrgesinnung

Was in der Diskussion über die Wehrpflicht meist außer Betracht gelassen wird, ist der Umstand, daß Wehrpflicht und Wehrgesinnung in einem Zusammenhang stehen. Die Effektivität der Wehrpflicht ist von der sie unterstützenden Wehrgesinnung abhängig. Was aber ist eine Wehrgesinnung? Diese ist der Willen des Staatsvolkes, die vom Staat gesetzten Ziele, auch unter Einsatz von Gewalt, durchzusetzen. Dazu ist die Akzeptanz der Staatsführung notwendig. Wehrgesinnung kann in einer freiheitlichen Gesellschaft nur durch Konsens mit den politischen Zielen erreicht werden. Der Inhalt der Wehrgesinnung muß die Kriegsverhinderung sein. Wenn nun die politischen Ziele immer diffuser werden oder, wie im Bereich der Landesverteidigung, gänzlich fehlen, schwindet die Wehrgesinnung.

Aufgrund fehlender Wehrgesinnung erscheint der allgemeine Wehrdienst als sinnlos. Der SPÖ-Verteidigungsminister Darabos bezeichnet ihn sogar als „Megasinnlos“. Der Wehrdienst, der derzeit noch sechs Monate lang dauert, wird in der medialen Debatte als verlorene bzw. gestohlene Zeit dargestellt. Sogar ein volkswirtschaftlicher Schaden wird durch die „zwangsweise“ Einziehung der 18-jährigen herbeiphantasiert. Daß der Wehrdienst für Generationen von männlichen Staatsbürgern als Schule der Nation gegolten hat und auch noch gilt, findet keine Beachtung. Selbst nicht fundamental orientierte Politiker ignorieren den gesellschaftlichen Wert des Grundwehrdienstes. Die allgemeine Wehrpflicht galt für gut 200 Jahre als Errungenschaft der demokratischen Gesellschaft. Sie ist nicht nur Teil der Verteidigungsstruktur, vielmehr formt sich diese quasi um die Wehrpflicht. Der Wehrdienst ist das Bekenntnis des Bürgers zu seiner Schutzpflicht gegenüber der Gesellschaft. Ohne Wehrpflicht gibt es auch keine Verpflichtung des Staatsbürgers gegenüber dem Staat mehr. Bürgerpflichten werden dann nur noch vom Finanzamt eingefordert.

 

Recht auf Ausbildung an der Waffe

Der Staatsbürger wird bei Abschaffung der Wehrpflicht aber auch eines nicht unwesentlichen Rechtes beraubt. Nämlich dem Recht, an der Waffe ausgebildet zu werden. In der österreichischen politischen Landschaft, in der die Entwaffnung der Zivilbevölkerung immer weiter vorangetrieben wird, wird dadurch auch noch dem Bürger die Möglichkeit genommen, das richtige Verhalten im Umgang mit Waffen zu lernen. Dazu gehört nicht nur die richtige Handhabung durch den Schützen selbst, sondern auch das Wissen über die Wirkungsweise von Waffen. Wohin eine derartige „Demilitarisierung“ der Bevölkerung führt, können wir am Beispiel diverser Amokläufe der letzten Jahre sehen. Menschen, die kein Wissen darüber haben, wie Waffen wirken und wie man einen Feind wirft, werden in derartigen Situationen zu Zielscheiben. Nur wer bereit ist, sich und seine Gemeinschaft aktiv zu verteidigen, wird nicht zum Opfer.

 

Die zukünftigen Aufgaben des Heeres

Wenn wir in der Diskussion um die Wehrpflicht von den Pflichten des Bürgers gegenüber dem Staat Abstand nehmen, bleibt aber noch die Frage zu klären, wie die Aufträge des Bundesheeres in Zukunft bewältigt werden sollen. Die Hauptaufgabe ist unbestrittener Weise die Landesverteidigung. Nun steht eine unmittelbare militärische Bedrohung nicht im Raum, aber viel Verteidigung wird mit 12.500 Mann auch nicht mehr möglich sein. Der zu einer weiteren Hauptaufgabe mutierte, da politisch gut verkaufbar, Auslandseinsatz wird über einen längeren Zeitraum nicht aufrecht zu erhalten sein. Weitere Aufgaben wie Katastrophenhilfe sowie humanitäre Hilfe im In- und Ausland und auch die Beteiligung an friedensbildenden Maßnahmen werden nur noch sehr reduziert möglich sein. Eine gleichzeitige Durchführung mehrerer Aufgaben wird aufgrund der geringen Anzahl an Soldaten unmöglich.

 

Ende der umfassenden Landesverteidigung

Durch den Wegfall der Wehrpflicht wird die Verteidigungsaufgabe der Bevölkerung entrückt. Das Militär und die Landesverteidigung werden zur Aufgabe einer Berufsgruppe. Die enge Verknüpfung mit der zivilen Gesellschaft, die ein Wesen der Wehrpflichtigenarmee ist, verschwindet ebenfalls. Die umfassende Landesverteidigung, die in unserer Verfassung steht und aus der zivilen, der wirtschaftlichen, der geistigen und der militärischen Landesverteidigung besteht, ist damit Geschichte.

 

Wert der Wehrpflicht

Der Wert der Wehrpflicht ist kein materieller. Jeder Grundwehrdiener leistet einen Dienst an der Gesellschaft. Er lernt, eigene Interessen hinter die Interessen der Gemeinschaft zu stellen. Er lernt, mit Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten umzugehen. Wenn er die Uniform trägt, ist er Soldat und kann damit alle seinen anderen sozialen Rollen ablegen. Unter den Soldaten gibt es klare Hierarchien, die klare Befehlsstrukturen schaffen. Strukturiert wird auch der gesamte Tagesablauf für die Grundwehrdiener. Diese Struktur und das Eingebettetsein in ein System, das keinen zurückläßt, ist für viele jungen Menschen eine Erfahrung, die sie nur beim Militär machen können. Der Wehrdiener lernt aber auch, mit Befehl und Gehorsam umzugehen. Damit verbunden erfährt er auch, daß Ungehorsam und das bewußte Unterlassen von Handlungen zum Wohle der Gemeinschaft für ihn negative Konsequenzen haben können. Er lernt, obwohl beim Militär, „Zivilcourage“.

 

Die allgemeine Wehrpflicht stellt einen unschätzbaren Wert für die österreichische Gesellschaft dar. Einen Wert, der vermutlich erst erkannt wird, wenn es zu spät ist. Die Debatte um die Wehrpflicht wird nur durch die zu erwartenden Kosten bestimmt. Der Verteidigungsminister verspricht geringere Kosten für eine Berufsarmee und lügt damit die Bevölkerung wieder einmal an. Eines ist aber klar: Egal, wie die Volksbefragung zur Wehrpflicht im Jänner 2013 auch ausgehen mag, Verlierer wird das Bundesheer sein.

Denn 0,6 % des BIP sind und bleiben zu viel zum sterben aber auch noch immer zu wenig zum leben.

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