Gastkommentar von General i.R. Karl Majcen
Zum zweiten Mal übertitelt Claus Reitan (Chefredakteur „Die Furche“) einen Leitartikel zumThema „Bundesheer und Sicherheitspoltik“ mit „Todesstoß für das Heer“ ( Ausgabe v. 20. Jänner 2011). Die jüngste Entwicklung in der öffentlichen Diskussion und das Auftreten verschiedener Experten lassen befürchten, daß er recht haben könnte. Es fehlt zwar nicht an wohlklingenden Wortspenden aller Art, aber kaum jemand spricht an, was eigentlicher Auslöser der fast hektisch zu nennenden Aktivitäten sein dürfte: Der Wahltermin 2013 wirft seine Schatten voraus! Was sollte denn sonst der Beweggrund für die genannten Terminsetzungen sein: noch im Sommer Volksbefragung/Volksabstimmung und Aussetzung der Wehrpflicht ab 2012? Kann denn im Ernst jemand daran glauben, daß das Schaffen der erforderlichen Gesetzesgrundlagen für diesen gewaltigen und im übrigen sehr umstrittenen Schritt, nach allen bisherigen Erfahrungen mit dem Unterschied zwischen Ankündigung und Umsetzungsmöglichkeiten aller bisherigen Heeresreformen, in dieser Zeit und brauchbar erfolgen würde?
Reitan schreibt am Ende seines Beitrages, nachdem er vorher einige der offenen Frage deutlich angesprochen hat: „Über das alles ist zu sprechen, ehe abgestimmt wird. Anhand des Themas, nicht der Parteiinteressen. Um über Sicherheit, nicht über Unlust zur Pflicht abzustimmen.“
Es muß immer wieder an den Artikel 9a des Bundesverfassungsgesetzes erinnert werden, mit dem die Allgemeine Wehrpflicht ( für männliche Staatsbürger, zugleich auch der Ersatzdienst) den offenbar als sehr wichtig erkannten gesetzlichen Rang erhielt. Und Reitan schreibt an anderer Stelle: „Die große Frage hinter der Heeresreform ist jene nach dem Staats- und Gesellschaftsverständnis.” So ist es dem Generalstabschef zu danken, daß er, ohne jetzt auf die im übrigen aus unterschiedlichsten Zielsetzungen sich speisenden Argumente der Netzwerker zur Abschaffung der Wehrpflicht einzugehen, aus der berechtigten Skepsis über die Folgewirkungen kein Hehl macht. Bis jetzt wurde jedenfalls noch keine fachlich-sachliche Begründung erkennbar ─ der Hinweis auf einen allgemeinen Trend reicht dazu nicht aus (wo wird z.B. auf Finnland, den PISA-Musterknaben hingewiesen?) ─, daß die Lösung für die aus dem Scheitern der Zilk’schen Reform ( „BH 2010“) erwachsende nächste Reform unbedingt die Abschaffung der Wehrpflicht die für Österreich passende sei. Das Bundesheer hat in seiner Geschichte in der 2. Republik mit seinem Wehrsystem trotz aller Mängel und diverser Strukturanpassungen keinen Einsatzauftrag der politischen Führung bisher nicht erfüllt. So soll es bleiben: Wer nichts Besseres und Leistbareres anzubieten hat, soll ehrlich prüfen, ob er sagen könne „Es ist gut, daß man es hat, wenn man es braucht.“ Wenn, sowie es aussieht, das Budget die eigentliche Planungsgröße ist, dann soll man das klar sagen und nicht sich hinter sicherheitspolitischen
Annahmen verstecken. Merk’s: soviel Geld, soviel Militär.
Als ehemaliger Generaltruppeninspektor stehe ich im jetzigen Diskussionsprozeß voll hinter General Entacher. Zerstört ist schnell, wiederhergestellt schwer bis kaum. Es gäbe in unserem Land so viele Baustellen, Stichwort Verwaltungsreform, daß man sich nicht schon wieder über das Bundesheer hermachen muß, um Reformwillen zu zeigen. Noch dazu einen, hinter dem sich eher wahltaktische als grundsätzliche Notwendigkeiten zu verbergen scheinen. Kein Hineinstolpern in eine Änderung des Art. 9a BVG. Das soll nicht erst bei einer allfälligen Befragung von den Stimmberechtigten bedacht werden, sondern auch schon im laufenden Diskussionsprozeß.
Gottseidank gibt es, wenn auch in unterschiedlicher Deutlichkeit und Bemerkbarkeit, in allen Parteien außer bei den Grünen Politiker, die sich für die Beibehaltung der Wehrpflicht in Österreich aussprechen und die somit als Orientierungshilfe, als Mitstreiter für eine gute Sache zu bedanken sind.