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Freihandelsabkommen gefährdet die Freiheit in Europa

Von Jan Ackermeier

TTIP Schild wird von Geschäftsmann gehaltenNachdem es noch in der letzten Sitzung des Europäischen Parlaments, bei der über das Freihandelsabkommen TTIP debattiert wurde, zu heftigen Schreiduellen gekommen war, stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten im Juli dem Entwurf trotzdem zu. In einer in Straßburg verabschiedeten Entschließung verlangten die Abgeordneten allerdings eine Reihe von Nachbesserungen – vor allem den Verzicht auf herkömmliche Schiedsgerichtsverfahren durch nichtstaatliche Gremien. Zur Erinnerung: Das TTIP sieht vor, daß private Unternehmen Staaten vor eigens eingerichteten Schiedsgerichten verklagen können, aber auch die Senkung von Qualitätsstandards und Lebensmittelsicherheit durch TTIP wird von Kritikern befürchtet.

Weitere Kritikpunkte am Abkommen sind: Einmal beschlossen, sind die Verträge für gewählte Politiker nicht mehr zu ändern. Denn bei jeder Änderung müssen alle Vertragspartner zustimmen. Österreich allein könnte aus dem Vertrag nicht aussteigen, da die EU den Vertrag abschließt.

Was in den USA erlaubt ist, würde auch in der EU legal – so wäre der Weg frei für Fracking, genmanipuliertes Essen und Hormonfleisch. Unsere heimischen Bauern werden geschwächt, und die internationale Agrarindustrie erhält noch mehr Macht.

Das Abkommen soll es Konzernen erleichtern, auf Kosten der Allgemeinheit Profite bei unserer Wasserversorgung, im Gesundheitswesen und bei der Bildung zu machen.

Ausländische Konzerne können Staaten künftig vor nicht öffentlich tagenden Schiedsgerichten auf hohe Schadenersatzzahlungen verklagen, wenn sie Gesetze verabschieden, die ihre Gewinne schmälern.

Ein besonders gefährliches Beispiel, wie die USA Zugriff auf europäische Ressourcen bekommen könnten, zeigt die Trinkwasserversorgung: Kommt TTIP, so könnten US-Konzerne Wasser in der EU zu Gold machen. Wasserwerke in Europa werden größtenteils von Kommunen betrieben, aber es werden auch Konzessionen für den Betrieb von z.B. 20 oder 30 Jahren vergeben. Die Kommunen sind frei in ihrer Entscheidung, sich quasi selbst für die eigene Wasserversorgungskonzession zu bewerben, oder sie an einen höher bietenden Privatanbieter zu vergeben.

Kommt TTIP und ein US-Konzern bietet mit um eine regionale Konzession zur Wasserversorgung, kann er vor dem privaten Weltbank “Schiedsgericht” ICSID klagen, wenn die Kommune die Konzession an sich selbst vergibt. Hier könnte der Privatanbieter behaupten er würde vom Staat benachteiligt, und auf Schadenersatz für entgangene Gewinne pochen.

Auch möglich: Schreibt eine Kommune eine Konzession gar nicht erst aus, könnte ein US-Anbieter ebenfalls klagen, da er seine Investitionsfreiheit als Ganzes unterbunden sieht. Allein schon die Vermutung, man könne bei einem Vorhaben, das erst eine Idee ist, benachteiligt werden oder es könnten einem Gewinne entgehen, reicht als Klagegrund vor den geplanten Schiedsgerichten bereits aus.

Der bundesdeutsche Verfassungsrechtler Siegfried Broß sieht in den privaten Schiedsgerichten der Freihandelsabkommen Ceta und TTIP einen Verstoß gegen deutsches Verfassungs- und EU-Recht sowie einen Systembruch des Völkerrechts. Die Wahrscheinlichkeit, daß diese Regeln vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof scheitern, sei sehr hoch. Broß plädiert dafür, staatliche Schiedsgerichte einzurichten, die es bisher so auf dieser Ebene nicht gibt.

Ob die EU-Kommission als eigentlicher Verhandlungspartner der USA bei diesen Kritikpunkten jedoch im Sinne der Kritiker nachgeben wird, erscheint fraglich. Besonders interessant ist das Abstimmungsverhalten der österreichischen EU-Abgeordneten: Während die Freiheitlichen, die SPÖ und die Grünen gegen das Freihandelsabkommen stimmten, waren die NEOS und die ÖVP geschlossen für das Vertragswerk.

Doch nicht nur das Freihandelsabkommen sorgt für Kritik: So mutierte in der EU etwa das Ziel der “sozialen Marktwirtschaft” zu einer “offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb”. Statt einer dringend nötigen und von immer mehr Ökonomen eingemahnten makroökonomischen Kursänderung wird die einseitige Budgetpolitik und Geldpolitik der EZB, die nicht Vollbeschäftigung und Wachstum, sondern alleine Preisstabilität zum Ziel hat, einzementiert. Öffentliche Dienstleistungen, die den Kern eines Sozialstaates darstellen, unterliegen dem Wettbewerbsrecht und sollen weiter liberalisiert und privatisiert werden.

Auch die Rüstungsindustrie kommt in der EU nicht zu kurz: Es gibt mittlerweile eine Art Aufrüstungsverpflichtung innerhalb der Mitgliedsstaaten und der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 2003 sah sogar ein Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten vor. Ganz so offen geht die EU-Nomenklatura zwar heute nicht mehr vor, aber ein Herz für Rüstungsbetriebe hat man immer noch.

Rüstungs- und Technologiekonzerne beraten die EU-Kommission etwa in technischen Fragen der Grenzüberwachung. In einer von der EU-Kommission berufenen “Security Advisory Group” konnten unter anderem Vertreter einer Airbus-Tochter, von Siemens, Finmeccanica und der Deutschen Post ihre Expertise einbringen. Mehrmals profitierten in der Gruppe vertretene Unternehmen von EU-finanzierten Forschungsvorhaben. So stellte die Kommission knapp 30 Millionen Euro für das Projekt „Perseus” bereit, an dem die Airbus Group beteiligt war: Es soll der EU mithilfe von Satelliten und Sensoren ermöglichen, im Mittelmeer Boote mit „abnormalem Verhalten” besser zu orten. Insgesamt investierte die EU-Kommission in den vergangenen Jahren rund 210 Millionen Euro in Projekte zur Grenzsicherung.

In diesem Jahr soll auch der Einsatz von Drohnen getestet werden, die dabei helfen sollen, „nicht kooperative Fahrzeuge” – zum Beispiel Autos oder Boote von Schleusern – an der Weiterfahrt zu hindern. Die EU-Kommission sagt, ihre Beratergremien entschieden nicht über konkrete Themen der Forschungspolitik und Förderungen für Industrieunternehmen. Dafür seien die Mitgliedstaaten zuständig.

 

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