Franz Liszt zum 200. Geburtstag
Virtuose und Genie
Die Musikwelt ehrt heuer einen der größten Klaviervirtuosen des 19. Jahrhunderts, ein Genie, das bis heute nichts von seinem Glanz verloren hat. Es ist Franz Liszt, Wunderkind, Klaviervirtuose, Komponist und Dirigent in einer Person, der vor 200 Jahren am 22. Oktober 1811 in Raiding im Burgenland zur Welt kam. Damals gehörte dieser Flecken Erde noch zur ungarischen Krone, was später für Liszts nationales Bekenntnis von Bedeutung war. Darüber wird später noch zu berichten sein. Das Burgenland jedenfalls ehrt seinen großen Sohn mit einem umfangreichen Kulturprogramm von über 200 verschiedenen Veranstaltungen.
Die Kindheit von Franz Liszt war von der erzieherischen Fürsorge seines Vaters geprägt. Adam List dürfte eine Frohnatur gewesen sein, zumindest sprechen seine Liebe zur Musik und sein miserabler Studienerfolg dafür. Daß Liszts Vater musikalisch begabt war, geht aus seinem Ansuchen um Versetzung nach Eisenstadt hervor, in dem er schrieb, „bei der Musik Orgel, Violine und im Notfall auch Cello zu spielen, im Kirchenchor Bass zu singen und im Orchester auch die Pauke zu schlagen.“
1808 nahm Adam eine Stelle in Raiding an. Zwei Jahre später heiratete er die Bäckerstochter Anna Lager aus Krems an der Donau. Vor der Geburt von Franz prophezeite ihr eine Zigeunerin, einen berühmten Sohn zu gebären. Franz entwickelte schon sehr früh musikalische Auffälligkeiten, was vor allem seinen Vater dazu anregte, sich der Erziehung anzunehmen. Die Familie übersiedelte nach Wien, um Franz von Carl Czerny und Antonio Salieri unterrichten zu lassen. Adam List hatte inzwischen seine Stellung beim Grafen Esterházy aufgegeben. Sein ganzer Ehrgeiz galt der Förderung von Franz, über den die Städtische Pressburger Zeitung am 28. November 1820 schrieb: „Die außerordentliche Fertigkeit dieses Künstlers, so wie auch dessen schneller Überblick im Lösen der schwersten Stücke, indem er alles, was man ihm vorlegte, vom Blatt wegspielte, erregte allgemeine Bewunderung, und berechtigt zu den herrlichsten Erwartungen.“ 1823 übersiedelte die Familie Liszt nach Paris. In den folgenden Jahren trat Liszt mehrmals in England auf. Die Zeit in Paris war von tiefen Einbrüchen, dem frühen Tod des Vaters und musikalischen Niederlagen gekennzeichnet. Die Konkurrenz am europäischen Musikhimmel war gewaltig und mit Genies wie Frédéric Chopin, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Gioachino Rossini oder Hector Berlioz ausgeleuchtet. Liszt war der Konkurrenz kaum gewachsen: So bezeichnete ihn etwa Chopin als „pianistische Null“.
Liszt überwand seine jugendlichen Krisen und wandte sich zu Beginn der 1830er Jahre wieder mit vollem Elan der Musik zu. Es entstand die erste Version seiner Clochette-Fantasie op.2. Weitere Kompositionen folgten, fielen aber beim Publikum durch. Neue Zweifel an seinem kompositorischen Können tauchten auf. Erst mit der Übersiedlung nach Genf fand Liszt seine Berufung zur Komposition. Auf einer Europareise lernte er 1847 die russische Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein kennen, die sein weiteres Werk erheblich beeinflußte. 1855 und 1856 entstanden die Ungarische Rhapsodie, die Faust-Sinfonie und das Klavierkonzert in Es-Dur. 1861 zog Liszt nach Rom, wo er sich der Theologie widmete und die niederen Weihen erhielt. Danach folgten wieder ausgiebige Konzertreisen nach Weimar und Budapest. Liszt unterrichtete, komponierte, dirigierte und förderte nach besten Kräften die Arbeit von Richard Wagner. 1886 starb Liszt bei den Festspielen in Bayreuth.
Was abschließend Liszts nationale Zugehörigkeit angeht, war er dabei ebenso ein Grenzgänger wie in seiner Musik, in der er auch die verschiedensten Richtungen vereinte und in ein symbiotisches Ganzes brachte. Seine Kindheit war ebenso deutsch geprägt wie magyarisch, obwohl Liszt erst spät das Magyarische mit mäßigem Erfolg erlernte. Er sprach seit seiner Zeit in Frankreich vornehmlich Französisch. Zeitlebens aber bezeichnete er sich als Magyar und hielt an seiner ungarischen Staatsangehörigkeit fest. P.W.