Die Deutschen kommen!
Größte Migrantengruppe kommt aus dem Norden
von Jan Ackermeier
Panik ist ausgebrochen in Österreich, die Universitäten werden gestürmt, die Arbeitsplätze werden knapp, und das Gemüse wird jetzt zweisprachig beschildert. Wenn man den österreichischen „Leitmedien“ glauben darf, dann steht ein zweiter Anschluß – diesmal durch Einwanderung – kurz bevor. Und tatsächlich werden die Zeitungen der Alpenrepublik nicht müde zu betonen, daß die größte Einwanderungsgruppe nicht die Türken oder gar die verschiedenen Völker der ehemaligen Habsburgermonarchie seien, nein: „Es sind die Deutschen!“ Nun ist unser Leserkreis dafür bekannt, sich zur deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft zu bekennen, weshalb der Umstand, daß es auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland Deutsche gibt, keinen neuen Erkenntnisgewinn bedeutet. Interessant ist aber immerhin, welches Bild die veröffentlichte Meinung von den Landsleuten nördlich des Inns hat.
Im Gegensatz zum allzeit weichgespülten Kuschelbild, welches beispielweise von den türkischen Einwanderern gezeichnet wird, darf man im Umgang mit Bundesdeutschen ruhig ein bißchen „ausländerfeindlich“ sein. Da ist in so mancher Qualitätszeitung hierzulande von den „Piefkes“ die Rede, die österreichischen Studenten die Studienplätze wegnähmen. Während eine solche Behauptung im Zusammenhang mit Türken sofort Vorwürfe wegen Ausländerfeindlichkeit oder noch Schlimmerem nach sich zieht, dürfen Herr und Frau Österreicher ihren Frust erlaubterweise am nördlichen Nachbarn auslassen. Das Märchen von den „gestürmten“ österreichischen Universitäten hält der Realität allerdings nur sehr bedingt stand, studierten im Sommersemester 2011 rund 25.000 Bundesdeutsche in Österreich, während der Gesamtanteil fremder Staatsbürger an den Hochschulen etwa 75.000 Personen umfaßte. Gleichzeitig studierten 15.000 Österreicher in der Bundesrepublik. Doch wie sieht das „Einwanderungsproblem“ mit den Bundesdeutschen in der Alpenrepublik tatsächlich aus?
Im Jahr 2010 waren knapp 1,5 Millionen Menschen in Österreich mit fremden Wurzeln erfaßt. Das heißt, sie wurden entweder selbst im Ausland geboren (wurden rund 1,08 Millionen ), oder aber ihre Eltern. Knapp 386.000 Personen sind in Österreich geborene Nachkommen von Eltern mit ausländischem Geburtsort und werden daher auch als „zweite Generation“ bezeichnet. Die Gesamtzahl dieser „Migrationshintergründler“ entspricht einem Bevölkerungsanteil von knapp 18 Prozent, wie aus dem Jahresbericht „Migration & Integration 2010“ der Statistik Austria hervorgeht.
Die Zahl der ausländischen Staatsbürger mit Wohnsitz in Österreich lag Anfang des Jahres 2011 bei 895.000 Menschen, das sind 10,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Ein Drittel dieser Gruppe stammt aus anderen EU-Staaten. Die am stärksten vertretene Nation waren am Stichtag 1.1.2010 die knapp 213.000 Personen bundesdeutscher Herkunft, die die rund 207.000 Einwanderer aus Serbien, Montenegro und dem Kosovo auf Rang zwei verwiesen. Den dritten Platz belegten 183.000 Türken. An vierter Stelle lag die rund 130.000 Personen umfassende Bevölkerungsgruppe aus Bosnien/Herzegowina, während Platz fünf von etwa 70.000 Kroaten belegt wurde. Im Bundesländervergleich steht Wien als wichtigstes Ziel der internationalen Zuwanderung nach Österreich da. 39 Prozent der Einwanderer wurden in der Bundeshauptstadt registriert. Auf den Plätzen dahinter landeten Oberösterreich, Niederösterreich und die Steiermark. Am geringsten fiel der Zuzugssaldo in Vorarlberg aus.
Während die türkischen Einwanderer die Statistik bei den Arbeitslosen anführen, stehen die Bundesdeutschen entweder in Lohn und Brot oder absolvieren ihre Ausbildung in Österreich.Eine große Chance also nicht nur für den Arbeitsmarkt in Österreich, sondern auch für den Bildungsstandort. Umgekehrt sieht das Bild hingegen in der Kriminalstatistik aus: Hier führen alle anderen Einwanderergruppen vor den Bundesdeutschen. Auch die Sprache in der Alpenrepublik stellt die Landsleute aus dem Norden naturgemäß vor erheblich weniger Probleme als die anderen Gruppen, auch wenn besonders die Lebensmittelbezeichnungen für viele Bundesdeutsche ein Buch mit sieben Siegeln darstellen.