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Der Nikolo ist kein Türke

Von Ernst Brandl

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Wahre Geschichte, Legende und Brauchtum verbinden sich bei der Person des Nikolaus zu einem liebenswerten Gesamtbild: Nikolaus, der Heilige und Freund der Kinder. Zur sagenhaften Geschichte des Nikolo kommt heutzutage immer öfter eine Legende hinzu – seine mutmaßlich türkische Herkunft. Versuch einer Richtigstellung zur Geschichte des Hl. Nikolaus von Myra.

Die Geschichten und Legenden rund um den heiligen Nikolaus haben Brauchtum und Kunst beeinflußt.

Es begab sich im Jahre 2013: Der Präsident der Caritas Österreich war in den trüben Novembertagen dieses Jahres gerade neu bestellt worden. Und dieses honorige Hochamt der Wohl- und Mildtätigkeit wurde mit dem katholischen Geistlichen jüdischer Abstammung Michael Landau (Landaus Vater mußte als Jude 1939 aus Österreich emigrieren), besetzt. Zum Festtag des Heiligen Nikolaus von Myra wurde dem neuen Caritas-Chef im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Möglichkeit gegeben, in der Ö1-Sendereihe „Gedanken für den Tag“ seine narrative Qualität unter Beweis zu stellen. Diese Gedanken, die den Hörer „im Idealfall durch den Alltag des Lebens begleiten“, sollen, wie es im Credo der Sendereihe heißt, diesen Alltag auch „erhellen, deuten und hinterfragen“ dürfen, „um diejenigen zu bereichern, die Lebens- und Glaubenserfahrungen ihr Ohr öffnen“, waren dem Anlaß entsprechend, dem Heiligen Nikolaus gewidmet.

Der „Nikolaus von Myra ist der Popstar unter den Heiligen“, begann Herr Landau mit freundlichem Tonfall seine Radiopredigt. „Ein Popstar, der auch am heutigen Tag wieder in zahlreichen Ländern und über die Grenzen der Ost- und Westkirche hinweg von Kindern gefeiert wird. Hier wurde einer zur Ikone, der das Korn für die Armen vermehrte und Kinder, denen es am Nötigsten fehlte, reich beschenkte.“ Ja, so wird es wohl gewesen sein mit diesem antiken „Popstar“.

Herrn Landaus „Gedanken zum Tag“ blieben aber nicht lange bei der mythischen Vita des Nikolo. Ganz leutseliger und gegenwärtiger Mildtätigkeitsprediger erster Güte verband er des Nikolos Heiligengeschichte mit dem heutigen Alltag. „Eine Freundin berichtete mir unlängst von ihrem Sohn, der die Volksschule besucht“, so Landau – schon ganz im sagenhaften Erzählstil versunken – und diese Mutter sprach davon, „wie stolz die türkischen Mitschüler“ ihres Sohnes seien, „weil sich hier ein Bischof aus der heutigen Türkei so großer Beliebtheit erfreut. Nikolaus ein Türke? Warum nicht. Der Sohn meiner Bekannten fand das ganz natürlich. Er ließ sich seine Freude auf den Nikolo nicht nehmen.“

Der Nikolo ein Türke! Warum nicht? So war mir der Christengott helfe, Herr Landau – auch als katholischer Geistlicher sollte man bei der Wahrheit bleiben. Nun weiß man zwar nicht viel über die historische Person des heiligen Nikolaus, aber eins ist sicher: Er war mit Sicherheit kein Türke! Denn erstens gab es damals noch gar keine Türkei, und zweitens lebten die frühen Türken noch in ihrer Urheimat Mittelasien. Die Türken sind nicht die Ureinwohner des heutigen Staatsgebietes der Türkei, sondern Neueinwanderer aus anderen Weltgegenden. Trotzdem wird dies heute gerne und immer wieder behauptet.

Der Name Nikolaus ist alt-griechischen Ursprungs und bedeutet übersetzt in etwa so viel wie „Sieger des Volkes“. Der heilige Nikolaus wurde um 280 in Patara geboren und war in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts Bischof von Myra, einer antiken Stadt in Lykien, zu seiner Zeit Teil des Römischen Reiches, später des Byzantinischen Reiches, heute die Stadt Demre in der Provinz Antalya in der Türkei. 310 wurde er im Zuge der Christenverfolgung gefangengenommen und gefoltert. Sein genaues Todesdatum ist nicht bekannt, es wird zwischen 345 und 351 datiert. Die Stadt Myra wurde im 5. Jahrhundert unter dem oströmischen Kaiser Theodosius II. Verwaltungssitz, ab 809, durch arabische Truppen geplündert, verlor es an Bedeutung.

Der Heilige Nikolaus gilt vielen als Schutzpatron: den Kindern, den Seefahrern, den Händlern sowie weiteren Volks- und Berufsgruppen. Er wurde somit nach seinem Tod zu einer überaus charismatischen Persönlichkeit, um die sich ein regelrechter Kult entwickelte, der sich unter anderem nach Italien ausbreitete und dazu führte, daß süditalienische Kaufleute während der Unruhen Ende des 11. Jahrhunderts die Gebeine raubten und nach Bari brachten, wo sie 1087 ankamen und noch heute in der eigens errichteten Basilica San Nicola ruhen. Die Ankunft der Reliquien wird noch heute jährlich im Mai mit einem großen Fest gefeiert.

In bin mir sicher, Herr Landau kennt die Geschichte des Nikolos, dieses „antiken Popstars“. Aber indem man die Wahrheit nicht mehr bekennt, ist es nur mehr ein kleiner Schritt zur Behauptung: „Der Nikolaus kommt aus der heutigen Türkei“. Und so wird durch die Umdeutung der Herkunft einer Heiligenfigur ein junges Land (die Geschichte der heutigen Türkei begann am 29. Oktober 1923) ganz unverhofft zu einem alten Kulturland, obwohl die türkische Besiedlung der Heimat des Nikolaus erst ein paar Jahrhunderte nach seinen Lebzeiten mit dem Eintreffen der Seldschuken im 11. Jahrhundert begann, was wiederum die Entführung seiner Gebeine nach Italien begünstigte.

Die Verbreitung von Unwahrheiten und Geschichtsklitterung hat in totalitären Systemen Tradition. So ist es auch nicht verwunderlich, daß zunehmend gerade muslimisch geprägte Gesellschaften versuchen, Geschichte zu ihren Gunsten auszulegen – wohl wissend: Wer die Geschichte schreibt, hat die Macht. In Zeiten der gesellschaftlichen Übernahme und der ethnischen Umvolkung ist es ein Werkzeug der Eroberer, Legenden zu schaffen und so die eine oder andere Identifikationsfigur zu vereinnahmen: Heilige hatten schon immer eine Anziehungskraft, und ihr Charisma konnte nach ihrem Tod durchaus noch wachsen, wozu die Legendenbildung in hohem Maße beitrug. Faktenwissen gerät immer stärker ins Hintertreffen vor diesen Versuchen, Geschichte und insbesondere charismatische Führungsfiguren umzudeuten und für die neuen Zwecke zu vereinnahmen.

Vor diesem Hintergrund ist die rhetorische Spitze Landaus „Der Nikolo ein Türke! Warum nicht?“ nachgerade ein ketzerischer Verrat an christlichen Kultur- und Identitätstraditionen.

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