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Der Kaiser schlechthin

Von Jan Ackermeier 

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Niemand prägte das Andenken des Hauses Habsburg so nachhaltig wie Kaiser Franz Joseph I., der am 21. November 1916 im Alter von 86 Jahren verstarb. Franz Joseph hinterließ deutliche Spuren im historischen Bewußtsein der Nachwelt. Gegen Ende seines Lebens wurde er zum Mythos, zum Symbol der Monarchie, und war über jede Kritik erhaben. Seine Person war zum Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie der einzige Kitt, der den fragilen Vielvölkerstaat zusammenhielt. Franz Joseph gilt bis heute in den Nachfolgestaaten der Monarchie als „der Kaiser“ schlechthin.

Seine Persönlichkeit machte eine schwierige Entwicklung durch: von frühester Jugend an wurde ihm ein Gefühl der Auserwähltheit und der Demut vor dem Kaiseramt vermittelt. Seine seelische Isolation wurde verstärkt durch das Zeremoniell am Wiener Hof, das die kaiserliche Majestät quasi-religiös dem Umfeld entrückte. Franz Joseph war durchdrungen vom Gedanken seines göttlichen Auftrags als Kaiser.

Als junger Mann wird er als charmant, höflich und gutaussehend beschrieben. Mit zunehmendem Alter wurde er wortkarg und verschlossen, ließ sich Emotionen kaum anmerken. Er war bestrebt, eine Art von Distanz zwischen seiner Person und seiner Umwelt zu erhalten, sowohl als Monarch, als auch in der Familie. Er pflegte ein patriarchalisches Familienverständnis. Franz Joseph war das unbestrittene Oberhaupt des Hauses Habsburg-Lothringen. Widerstand gegen seinen „allerhöchsten Willen“ wurde nicht geduldet, was im Extremfall zum Ausschluß aus der Familie und zum Verlust des Namens und der Privilegien führen konnte. Franz Joseph war eine autoritäre Vaterfigur, was sich auch in der Tragödie seines Sohnes Rudolf zeigte: Der Kaiser begegnete den liberalen Ideen seines Sohnes mit größtem Unverständnis, der Selbstmord war ihm völlig unbegreiflich.

Der Kaiser war kein großer Denker, sondern eher ein trockener Pragmatiker, der die philosophierenden Ansichten seiner Gattin als „Wolkenkraxeleien“ abtat. Der Kaiser war zwar prinzipiell an Malerei und Architektur interessiert, entwickelte darin jedoch einen konservativen Geschmack – die heute geradezu als Markenzeichen des Wiener Kulturlebens um 1900 gefeierte Wiener Moderne blieb ihm zeitlebens fremd. Die sonst im Haus Habsburg stark vertretene Musikliebe war bei Franz Joseph überhaupt nicht ausgebildet. Auch gesellschaftliche Anlässe wurden meist nur aus Pflichtbewußtsein absolviert, waren Franz Joseph persönlich aber höchst zuwider. Die Persönlichkeit des Kaisers wird unisono als nüchtern und fantasielos geschildert: Verantwortungsbewußt bis zur Pedanterie, galten ihm Pünktlichkeit und Ordnungssinn als höchste Tugenden. Franz Joseph galt als „Aktenmensch“, der ein enormes Arbeitspensum absolvierte und wie ein Uhrwerk funktionierte.

Als Flucht aus seiner „papierenen Existenz“ (Zitat Franz Joseph) dienten ihm die Sommeraufenthalte im Salzkammergut, das zu seiner Seelenheimat wurde. Jeden Sommer verbrachte Franz Joseph einige Wochen in seinem „geliebten Ischl“, wo der Kaiser leutselig und volkstümlich in Jägertracht auftrat. Die Jagd betrieb er passioniert und entwickelte hier auch nie die „Schießwütigkeit“ anderer adliger Zeitgenossen, wie etwa Franz Ferdinand.

Das häufige Auftreten der kaiserlichen Familie und vor allem des beliebten Kaisers in Tracht sorgte zudem für eine Renaissance der Trachtenmode und trug maßgeblich zu deren Erhaltung in der Volkskultur bei.

Was seinen Lebensstil betraf, war Franz Joseph an sich ein anspruchsloser Mensch: Sein Wohnumfeld und seine kulinarischen Vorlieben lassen ihn als Durchschnittsmensch erscheinen. So schlief er gerne in einem einfachen Militärbett und zeigte sich auch sonst eher an den einfachen Genüssen interessiert. Obwohl er bei seinen persönlichen Ausgaben einen regelrechten Sparzwang entwickelte, zeigte er sich umso großzügiger gegenüber ihm wichtigen Menschen wie seiner Gattin Elisabeth oder seiner Gefährtin Katharina Schratt. Franz Joseph finanzierte den exklusiven Lebensstil der beiden Damen, dem er mit Unverständnis begegnete, ohne großen Widerspruch.

Oftmals wird er Kaiser als verhältnismäßig gefühlskalt beschrieben, weil er etliche familiäre Schicksalsschläge, wie den frühen Tod seiner ersten Tochter Sophie, die Exekution seines als Kaiser von Mexiko gescheiterten Bruders Maximilian, den Freitod seines einzigen Sohnes Rudolf und die Ermordung seiner geliebten Sisi meistern mußte. Dies nährte das Bild vom Kaiser als Fels in Brandung, dem „nichts erspart geblieben“ ist.

Gegen Ende seines Lebens wurde Franz Joseph zum Relikt einer längst vergangenen Zeit und war zunehmend isoliert von den Entwicklungen der modernen Gesellschaft. Er wurde zur Symbolfigur der Spätzeit der Habsburgermonarchie und ist auch heute noch eine beliebte Projektionsfläche für rührselige Monarchie-Nostalgie.

 

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