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Ägypten vor der Theokratie?

Muslimbrüder liegen in Parlamentswahlen vorne

Wahlen in Ägypten

Nach der Auszählung von 80 Prozent der Stimmen in der ersten der drei Runden zur Wahl des ägyptischen Parlaments zeichnet sich eine Führung der gemäßigten islamistischen Muslimbruderschaft ab. Danach folgen die radikale islamistische Nur-Partei und das säkulare Parteienbündnis des „Ägyptischen Blocks“. Das geht aus Erklärungen der unabhängigen Richter hervor, die mit der Überwachung der Wahlen beauftragt sind. Demnach würde bislang keine Partei mit einer absoluten Mehrheit ins Parlament einziehen. Die unabhängige Zeitung „Al Shuruq“ prognostiziert für die Partei der Muslimbrüder 47 Prozent und für den Ägyptischen Block 22 Prozent.

Die „Partei für Freiheit und Gerechtigkeit“ der Muslimbruderschaft forderte, daß die stärkste Fraktion in Parlament mit der Bildung einer Regierung beauftragt werde. Das lehnt der Hohe Militärrat ab. Er besteht darauf, daß die Regierung dem Staatsoberhaupt, also ihm, verantwortlich sei und nicht dem Parlament.

Die Wahlbeteiligung habe bei deutlich über 70 Prozent gelegen, sagte General Ismail Atman. Viele Ägypter haben zum ersten Mal überhaupt gewählt. In der Ära Mubarak lag die Wahlbeteiligung meist unter zehn Prozent. Die erste Wahlrunde fand in Kairo, Alexandria und sieben weiteren Provinzen statt und war von weniger Gewalt begleitet als Wahlen während der Ära Mubarak, bei denen es jeweils viele Tote gab. Nach ersten Schätzungen wurden bei Konflikten zwischen konkurrierenden Kandidaten mindestens 25 Menschen verletzt.

Nach der Schließung der Wahllokale war es außerdem auf dem Tahrir-Platz in Kairo zu Zusammenstößen zwischen Aktivisten und unbekannten Zivilisten gekommen. Dabei wurden 108 Personen verletzt, zehn von ihnen schwer.

Der Oppositionspolitiker Mohamed El Baradei bezeichnete die Angreifer als Schlägerbanden. Vor Beginn der Auseinandersetzungen hatten Aktivisten versucht, die Straßenhändler vom Platz zu vertreiben. Diese haben mutmaßlich die Banden zu Hilfe gerufen. Steine und Benzinbomben wurden geworfen. Am zwölften Tag des Sitzstreiks auf dem Tahrir-Platz nahm die Zahl der Aktivisten weiter ab. Die Aktivisten hatten zu einem Boykott der Wahl aufgerufen. Sie fordern den Rücktritt des Hohen Militärrats. Sie sicherten den Tahrir-Platz mit Metallbarrieren und Müllcontainern.

Die Parlamentswahl gilt als die erste freie Wahl Ägyptens seit der Revolution von 1952. Erstmals habe eine Regierung nicht manipulierend eingegriffen, sagt Magdi Abdalhamid, der Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation „Vereinigung für gesellschaftliche Entwicklung“. Markus Meckel, von 1990 bis 2009 Bundestagsabgeordneter der SPD, würdigte die Transparenz des Wahlvorgangs, beanstandete aber „technische Unzulänglichkeiten“, die zu Manipulationen benutzt werden könnten. So seien die Wahlboxen schneller als erwartet voll gewesen, ohne daß zusätzliche leere Boxen zur Verfügung gestanden hätten. Sowohl bei den Richtern wie bei den Wählern beobachtete er indessen einen „ungeheuer guten Willen“, damit der Wahlprozeß gut verlaufe. Er habe nicht den Eindruck, daß jemand „im Hintergrund die Fäden ziehe“.

Ägypten hat eine Wahlbeobachtung durch Nichtregierungsorganisationen zugelassen. Meckel leitet die Delegation des amerikanischen „National Democratic Institute“. Viele Wähler hätten unter den Einzelkandidaten nicht wie vorgeschrieben jeweils den Namen eines „Arbeiters oder Bauern“ sowie eines „Berufstätigen“ angekreuzt. Unklar sei, ob Wahlzettel automatisch ungültig erklärt würden, wenn die beiden Stimmen auf eine Berufsgruppe vergeben worden seien, sagte Meckel.

Zwei Tage waren für den ersten Wahlgang angesetzt worden, um niemanden durch die langen Warteschlangen abzuschrecken. Es hatte Gerüchte gegeben, daß die Muslimbruderschaft ihre Anhänger früh zur Wahl schicken werde, wo sie durch eine langsame Stimmabgabe die vor dem Wahllokal in langen Schlangen Wartenden abschrecken sollten. Nach den drei Wahlgängen für das Parlament wird vom 29. Januar bis zum 11. März 2012 der Senat gewählt, voraussichtlich im Juni folgt die Präsidentenwahl. Jan Ackermeier

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